Galerie and studio Brunnenstrasse

Galerie and studio Brunnenstrasse
Architect: Arno Brandlhuber
Spolupráce:Markus Emde, Thomas Schneider
Address: Brunnenstrasse 9, Berlin, Germany
Completion:2007-09
Area:1100 m2
Price:1 100 000 Euro


Pragmatische Poesie
Bis vor kurzem noch Baulücke, zeigt sich die Brunnenstraße 9 jetzt als Experiment mit einem neuen, architektonischen Ansatz, den man im steinfassadenseligen Berlin nicht erwartet hätte. Die Zeitschrift archplus widmete dem Gebäude, in dem die Handwerker dieser Tage noch ihrer Arbeit nachgehen, bereits viele Seiten mit etwas hochtrabend klingenden Fragen. Andernorts hätte der unkonventionelle Bau vielleicht nicht so viel Aufmerksamkeit erregt wie in Berlin. Über einem Keller und mit einem Aufzugskern, die aus einem Bauvorhaben der 1990er Jahre übrig waren, bauten die Architekten  – Arno Brandlhuber als Bauherr und Architekt mit ERA, Emde, Schneider – ein funktional und ästhetisch flexibles Haus aus Sichtbeton mit einer Vorhangfassade, die geschosshoch teils aus Glas, teils aus Polycarbonattafeln  besteht. Wahlweise können die Fassadenelemente ausgetauscht werden. Höhenversprünge in den Ebenen an der Fassade wecken Neugier auf die Innenräume und geben sich als Anpassung an die Nachbarbebauung rechts und links zu erkennen.
Das Haus ist nutzungsflexibel konzipiert; derzeit nutzt eine Kunstgalerie Erd-, Ober- und Untergeschoss. Mit weit geöffneten Toren lockt sie an den Öffnungstagen Mittwoch bis Sonntag die Passanten ins Haus, wobei sich das Erdgeschoss tatsächlich wie ein halböffentlicher, schwellenloser Raum präsentiert. Die Treppe an der hinteren Wand ist temporär – sollte einer der nächsten Mieter das obere Halbgeschoss nicht nutzen, kann sie problemlos abgebaut werden.  Es fällt ein ruppiger Rohbaucharakter mit offen liegenden Installationen auf, der auch in der Einrichtung der Sanitärräume nicht aufgegeben wird und sich bis in die Wohnräume in der obersten Etage hält.  Abweisend wirkt er keineswegs, im Gegenteil: Hier möchte man gleich einziehen und schalten und walten.
Auf der Hofseite überrascht eine außen liegende Nottreppe – das Ergebnis zäher Verhandlungen mit den Genehmigungsbehörden. Sie wird in Kürze noch mit edelstahlseilbespannten Geländern ergänzt und lässt sich für vieles mehr brauchen als für die Flucht wer-weiß-wovor. Im Hof steht ein anderes, neues Wohnhaus, das in den Obergeschossen noch mit spätem Sonnenlicht versorgt sein sollte.  So ergab sich aus der Linie zwischen gegenüberliegendem First und diesen Obergeschossen die Flächenform des Daches. Arno Brandlhuber nennt seine Entwurfsweise "pragmatisch" – bei allem Pragmatismus wirkt das Haus in der Brunnenstraße allerdings angenehm verspielt und experimentell. Dergleichen findet man in Berlin leider viel zu selten.
Ursula Baus

Pragmatische Poesie?

Da gibt es ein neues Haus in Berlin Mitte, in der Brunnenstraße, unweit des Rosenthaler Platzes und das schaut so aus, als sei es nicht ganz fertig, im Rohbau, sozusagen. Eine Galerie (Koch Oberhuber Wolff) beherbergt das Gebäude und demnächst auch die Redaktion der 032c (kürzlich erst ausführlich bei Business of Fashion besprochen) und kommt dabei so herrlich unpassend daher, in einer Gegend, die neben der üblichen Altbauten nur schnieke Touristenbunker zu bieten hat.
Arno Brandlhuber, der Architekt, der sich der Überreste eines gescheiterten Bauprojekts aus den 1990ern annahm, ist ein Freund experimenteller Wagnisse und laut Monopol-Autorin Silke Hohmann “einer der interessantesten Architekten derzeit, weil er auf theoretische, urbanistische Fragen leichtfüßige, praktische Antworten findet.” Wer in der Brunnenstraße einmal genauer hinsieht, versteht sofort, was gemeint ist. Flott aus Fertigbetonteilen zusammengesetzt, wo hier und da ein Stück scheinbar spontan ausgelassen wurde (die dennoch montierten Steckdosen veranlassen die Vermutung), schiefe Ebenen innen und im Hof, eine unheimliche Außentreppe, Materialspuren…
Ist die Galerie geschlossen, verschließt ein großes metallenes Tor den Zugang, zur sonst sehr offenen Ausstellungsfläche (Besucher stolpern praktisch vom Gehweg barrierefrei vor die Kunst). Werbeplakate und Grafitti verwehren den Eindruck einer kompletten Architektur.  Ein Haus, so unfertig wie die ganze Stadt. Groteskerweise konnte sich dieser “Berlin way of life” zumindest auf konzeptueller (der interessanteren) Ebene in der Baukunst der Hauptstadt bisher nicht durchsetzen.  Was die Architektur betrifft, ist Berlin wahrlich kein Hort des Neuen.  Mit der Brunnenstraße 9 findet da möglicherweise eine Änderung statt.
fnart.org
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